Es schmeckt 300-mal so süß wie Zucker, besitzt keine Kalorien und ist dennoch nicht in aller Munde. Vom beschwerlichen Siegeszug der südamerikanischen Wunderpflanze.
Schleckermäulchen haben es nicht immer leicht, denn der übermäßige Verzehr von Speisen, die mit Fruchtzucker oder Haushaltszucker gesüßt sind, kann gewichtige Folgen haben. Aber auch vermeintlich schlanke Alternativen mit Süßstoff haben es gehörig in sich.
Der Grund: Aspartam, Saccharin, Acesulfam und Co. sollen ihrem Ruf zum Trotz dick machen, die Zähne ruinieren und sogar das Krebsrisiko in die Höhe treiben. Dennoch muss kein Liebhaber zuckrige Gaumenfreuden darben, denn es gibt sie tatsächlich, die figurfreundliche, natürliche Süße, die auch noch die Zähne schont.
Stevia rebaudiana Bertoni heißt das aus Südamerika stammende Kraut, aus dem die süßen Träume gemacht sind. Ganze 300-mal süßer als Zucker soll die unscheinbare, etwa 70 Zentimeter hohe, krautige Pflanze sein und dabei keine einzige Kalorien besitzen. Dennoch hat es Stevia nicht leicht. Während sich die Amerikaner und Asiaten längst von ihrer enormen Süßkraft überzeugen können, ist Stevia in der EU trotz zahlreicher wissenschaftlicher Nachweise ihrer gesundheitlichen Vorteil noch nicht als Lebensmittel zugelassen. Nur Frankreich und die Schweiz haben den Schritt gewagt und das Kraut für den Verkauf als Lebensmittel freigegeben.
Gesundheitsexperten sind sich uneinig
Das Hickhack um die Zulassung von Stevia begann vor ungefähr 15 Jahren. Damals verkündeten Forscher, dass hohe Mengen an Stevia das Risiko von Krebserkrankungen in die Höhe treiben können. Auch zeigte sich in Tierversuchen mit Ratten, Hamstern und Mäusen eine akute und subchronische Toxizität (die subchronische Toxizität prüft die schädigenden Wirkungen bei einer wiederholten täglichen Verabreichung der jeweiligen Substanz über einen Zeitraum von 90 Tagen). Diese war zwar sehr niedrig, doch sie weckte Zweifel an der Anwendungssicherheit.
Experten dementieren die Richtigkeit dieser Ergebnisse und verweisen darauf, dass nachfolgende Studien keinen entsprechenden Zusammenhang aufdecken konnten. Eine Studie aus dem Jahr 1999 wiederum zeigte, dass das im Kraut enthaltene Steviosid männliche Ratten unfruchtbar machen kann. Tatsächlich jedoch müsste ein Mann mehrere Kilo Stevia am Tag zu sich nehmen, bevor seine Fruchtbarkeit einen Schaden nehmen könnte. Laut Verbraucherschutzstandards der EU sollen daher weitere Studien prüfen, ob die menschliche Fertilität durch den Konsum von Stevia gefährdet sein könnte. Solche Studien seien laut EU notwendig, bevor das Verkaufsverbot endgültig aufgehoben werden kann.
Dr. Ralf Pude von der Universität Bonn erforscht seit Jahren, was Stevia genau zu bieten hat. Gegenüber dem Bayrischen Fernsehen äußert der Forscher: ? Der Vorteil von Stevia ist, dass Stevia absolut keine Kalorien hat, also auch hervorragend für Diabetiker geeignet ist, dass es hitzestabil ist beim Kochen und Backen, also sehr gut verwendet werden kann gegenüber künstlichen Süßungsmitteln, und dass es Heilwirkung besitzt. Es hilft bei Karies, senkt den Blutzuckerspiegel und kann Hauterkrankungen eindämmen.? Andere Verfechter des Krautes weisen darauf hin, dass Stevia nicht zu Plaquebildung und Karies führt und außerdem völlig naturbelassen und aus kontrolliert biologischem Anbau erhältlich ist.
Gesunde Süße in der rechtlichen Grauzone
Wer in Deutschland ohne schlechtes Gewissen süßen will, kann sich die Stevia als Zierpflanze ins Haus holen. Der Verkauf der ganzen Pflanze ist ebenso legal wie der Erwerb des reinen Süßstoffs Steviosid. Die Extrakte sind in Reformhäusern und der Drogerie erhältlich, nur eben nicht als Lebensmittel sondern etwa als Badezusatz. Der Grund: Die EU-Kommission ist sich noch immer nicht einig, welche Konzentrationsgrenzen vor Stevia gelten sollen, und zählen die Pflanze deswegen zum sogenannten Novel-Food, also zu einem neuartigen Lebensmittel. Entsprechende Produkte sind frei erhältlich, dürfen jedoch bis zu ihrer endgültigen Zulassung nicht als Lebensmittel oder Lebensmittelzutat angeboten werden.
Ganz anders sieht es in Asien und den USA aus. Dort ist Stevia als gesunde Süße in aller Munde und verdrängt allmählich Haushaltszucker, Fruchtzucker und künstliche Süßstoffe aus den Haushalten. Zuvor wurde Stevia natürlich auch dort auf die Eignung als Lebensmittel untersucht, doch die Ergebnisse lassen sich aufgrund der unterschiedlichen Lebensmittelrichtlinien nicht einfach auf Deutschland übertragen. Doch es besteht Hoffnung. Im Jahr 2008 hat der UN-Ausschuss Joint Expert Committee on Food Additives (JECFA) Stevia als gesundheitlich unbedenklich eingestuft. Experten sind sich deshalb sicher, dass die EU-weite Zulassung von Stevia nicht mehr lange auf sich warten lässt.
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Quelle: Nach Informationen von Br-Online und Oekonews.at (Lifeline.de)
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