Montag, 8. Februar 2010

Immer mehr Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche

Immer mehr sexuelle Übergriffe auf Kinder und Jugendliche in der katholischen Kirche kommen jetzt ans Licht. Eine «Spiegel»-Umfrage bei allen 27 deutschen Bistümern ergab, dass in den vergangenen 15 Jahren mindestens 94 Kleriker und Laien unter Missbrauchsverdacht geraten sind. Bis zum Wochenende meldeten sich allein 30 Opfer, die Schüler am Berliner Canisius-Kolleg der Jesuiten waren. Der heutige Rektor des Gymnasiums war als erster an die Öffentlichkeit gegangen, nachdem Opfer ihm das erlaubt hatten.

Bundesweit wurden laut «Spiegel» nur 30 der Täter seit 1995 juristisch belangt und verurteilt. Viele Fälle seien bereits verjährt gewesen, als sie bekanntgeworden seien. Sexueller Missbrauch ohne Vergewaltigung verjährt zehn Jahre nach dem 18. Geburtstag des Opfers. Aktuell stehen dem Nachrichtenmagazin zufolge mindestens zehn Kirchendiener unter Missbrauchsverdacht.

Bischöfe wollen das Thema offen angehen

Der Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz, Jesuitenpater Hans Langendörfer, sagte: «Die Enthüllungen zeigen ein dunkles Gesicht der Kirche, das mich erschreckt. Wir wollen das Thema offen angehen.»

Derweil fordern kritische Katholiken-Gruppen eine Korrektur der bischöflichen Leitlinien, die den Umgang mit sexuellem Missbrauch in der Kirche regeln. So regt Bernd Göhrig, Geschäftsführer der «Kirche von unten», die Einführung unabhängiger Ombudsstellen an.

Auf der am 22. Februar beginnenden Tagung der Deutschen Bischofskonferenz wollen sich die Oberhäupter der katholischen Bistümer mit dem kirchenweiten Missbrauchsskandal auseinandersetzen.

«Das Ganze ist wie eine Lawine»

Die Berliner Rechtsanwältin Ursula Raue, die Ansprechpartnerin für die Opfer der Übergriffe im Canisius-Kolleg ist, sagte der «Berliner Morgenpost», sie bekomme immer mehr Anrufe und Emails von ehemaligen Schülern des Elitegymnasiums. «Insgesamt dürften es jetzt um die 30 Opfer sein», erklärte Raue. «Die Zahl steigt von Tag zu Tag, das Ganze ist wie eine Lawine.» Es meldeten sich auch viele, die von sexuellem Missbrauch in anderen Institutionen der katholischen Kirche erzählten.

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