Das Bundesverfassungsgericht hat die bisherige Speicherung der Telekommunikationsdaten aller Bürger auf Vorrat gekippt. Bereits gespeicherte Daten müssten umgehend gelöscht werden, entschieden die Karlsruher Richter. Zwar ist die umstrittene Vorratsdatenspeicherung laut Urteil unter strengen Auflagen grundsätzlich erlaubt, das FDP-geführte Bundesjustizministerium lehnte "Schnellschüsse" bei einer Neuregelung jedoch ab. Wenige Stunden nach dem Urteil begann die Telekom nach eigenen Angaben damit, die gesammelten Daten zu löschen.
Nach Ansicht der Richter handelt es sich bei der Speicherung aller Telefon- und Internetverbindungsdaten für sechs Monate um einen "besonders schweren Eingriff in das Fernmeldegeheimnis", weil die Daten inhaltliche Rückschlüsse "bis in die Intimsphäre" ermöglichten und Persönlichkeits- oder Bewegungsprofile gewonnen werden könnten. Karlsruhe forderte vom Gesetzgeber "klare Regelungen" etwa zur Datenverwendung und Datensicherheit.
Grundsätzlich sind Telekommunikationsdaten laut Urteil für die Strafverfolgung aber "von besonderer Bedeutung". Sie dürfen deshalb bei "schweren Straftaten" unter strengen Voraussetzungen gespeichert und verwertet werden. Ausgenommen sind Daten von Organisationen, die anonyme Beratung etwa in seelischen Notlagen anbieten. Den Geheimdiensten bleibt der Zugriff weitgehend verwehrt. Die Kosten für die Datensicherheit haben laut Urteil die Unternehmen zu tragen, da sie von der Telekommunikation profitieren. Nur bei Daten zu Internet und E-Mail-Verbindungen (IP-Adressen) legte das Gericht den Maßstab nicht so streng an.
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) wies Forderungen aus der Union und der Polizei zurück, das Gesetz nun schnell neu zu regeln. Die Ministerin, die sich vor Amtsantritt den Klagen gegen die Datenspeicherung angeschlossen hatte, erwartet auch Auswirkungen durch das Urteil auf andere Vorhaben wie die Speicherung von Fluggast-Daten in der EU.
Der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Jörg Ziercke, appellierte an die Bundesregierung, schnell ein neues Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung zu verabschieden. Andernfalls könnten "ganz bestimmte Dinge einfach nicht mehr aufgeklärt werden", sagte Ziercke mit Blick auf die Strafverfolgung dem Sender hr-Info. Dies gelte vor allem dort, "wo sich die Tatabläufe im virtuellen Raum bewegen", etwa bei Datensabotage oder der Ausspähung von Daten.
Der Bundesdatenschutzbeaufragte Peter Schaar sprach von einem "wegweisenden Urteil" und forderte die Berücksichtigung der Karlsruher Vorgaben auch bei der Verwendung von persönlichen Daten etwa durch private Unternehmen.
BVG-Entscheidung zur Vorratsdatenspeicherung (AFP)
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