Donnerstag, 26. November 2009

Eine Phobie gegen Knöpfe

"Wenn mein Freund ein Hemd an hätte, und wir anfangen würden zu kuscheln, dann müsste er sich das auf jeden Fall selbst ausziehen. Wegen der Knöpfe müsste ich sonst würgen!" Mareile Kurtz ist sehr glücklich, dass sie einen Freund hat, der das versteht, denn sie hat eine ungewöhnliche Phobie: Sie hasst Knöpfe.

von Maria Huber

Der Fachbegriff dafür lautet "Koumpounophobie". Die Psychologin Bettina Weigel sagt: "Knopfphobie gehört zu den spezifischen Phobien, die zehn bis zwölf Prozent aller Menschen im Lauf ihres Lebens entwickeln." Sie selbst hatte schon Patienten, die eine Samt-Phobie hatten oder sich vor Reißverschlüssen ekelten.

Von spezifischen Phobien wie der Knopfphobie sind deutlich mehr Frauen als Männer betroffen, die meisten entwickeln den Ekel schon in der Kindheit. In 50 Prozent der Fälle ist es "erlerntes" Verhalten, so Weigel. Beim Rest wisse man nicht, woher es komme.

So war es auch bei Tanja F.: Seit sie denken kann, ekelt sich die 26-Jährige extrem vor Knöpfen. Aber was genau ist denn so schlimm an den kleinen runden Dingern? "Das ist einfach so ein ekliger Anblick, das Glänzende. Große schwarze Knöpfe gehen noch, aber wenn sie durchsichtig sind, igitt! Oder große gelbe Knöpfe, das ist auch so eklig!"

Mareile Kurtz findet darüber hinaus noch einen anderen Aspekt schrecklich: "Ich bilde mir ein, dass die total stinken und finde, dass die so glitschig aussehen, wie glibberige Tumore!"

Allein das Wort "Knopf" auszusprechen, kostete sie lange sehr große Überwindung, noch immer sagt sie es komisch "Gk-nobbf" und "bei Worten wie 'zugeknöpft' oder 'aufgeknüpft' ist das auch so – besonders schlimm ist 'Knopfleiste'". Kein Wunder, dass die beiden jungen Frauen schon oft verdächtigt wurden, sich einen Spaß zu erlauben oder ganz einfach als nicht ganz richtig im Kopf bezeichnet wurden.

Dabei sagt die Psychologin Bettina Weigel: "Das ist nicht verrückt, nein, das ist ganz normal, so wie ein anderer Angst vor Spinnen hat." Und die beiden Frauen sind bei weitem nicht alleine: Es gibt eine eigene Seite "knopfphobie.de", auf der reger Besuch herrscht, bei "StudiVz" gibt es sechs Gruppen für Knopfphobiker mit insgesamt über hundert Mitgliedern.

Die beiden Betroffenen gehen mit ihrer Phobie heute relativ offen um, Mareile schreibt sogar eine Kolumne auf dem Autorenportal "philibuster.de": "K(n)opfkino - Kur(t)z-Geschichten für Knopfhasser". Doch das war bei den beiden nicht immer so, lange schämten sie sich, oft gab es peinliche Momente.

Als sie klein war, machte Mareile regelmäßig ein riesiges Theater, wenn ihre Mutter ihr eine Bluse anziehen wollte: "Ich wehrte mich mit Händen und Füßen. Wenn ich sie doch anziehen musste, täuschte ich im Kindergarten einen Bastelunfall vor und schnitt die Knöpfe weg."

Richtig dramatisch wurde es, als ihre Mutter einmal eine Bluse mit vielen Knöpfen trug: "Du bist nicht mehr meine Mama!", schrie sie ihr da entgegen. Ein anderes Mal gab sie ihr sogar eine Ohrfeige.

Auch Tanja hat Probleme mit Knöpfen bei anderen: Wenn sie bei einer Familienfeier jemandem mit einer Bluse gegenübersitzt, geht das manchmal so weit, dass sie nicht einmal etwas essen kann. Dass sie selbst ein Kleidungsstück mit Knöpfen trug, ist "lang, lang her, 20 Jahre bestimmt", sagt sie. Das letzte Mal war ihr dabei die ganze Zeit schlecht, weil sich die Knöpfe am Kragen ganz in der Nähe des Mundes befanden.

Doch was trägt man, wenn man keine Knöpfe mag? Die beiden Frauen haben da keine Probleme: Mareile trägt eigentlich immer Stoffkleider und Leggings, für Tanja sind auch Jeansknöpfe aus Metall und ohne Löcher und Druckknöpfe gar kein Thema, weswegen sie da immer ganz leicht etwas findet. "Beim Shoppen bin ich trotzdem ziemlich vorsichtig, aber mit der Zeit sieht man schon, welche Kleidungsstücke Knöpfe haben könnten." Auch Mareile beschreibt dieses "Scannen", sobald sie einen Laden betritt.

Möchte man diese nervige Phobie nicht gerne loswerden? Die beiden jungen Frauen haben es bis jetzt noch nicht versucht – für Psychologin Bettina Weigel typisch: "Die anstrengende Therapie wollen sich viele nicht antun, weil der Leidensdruck ist nicht sehr groß ist, da man sich das Leben gut danach einrichten kann."

Um die Phobie zu kurieren, sind um die 20 Sitzungen nötig, die psychisch sehr anstrengend sein können - für die meisten steht dies in keinem Verhältnis zu den geringen Alltagsproblemen, die ihnen der Ekel bereitet. Auch Tanja und Mareile haben sich ihr Leben ohne Knöpfe eingerichtet: "Das ist alles gut arrangiert, es gibt ja sogar Bettwäsche mit Reißverschluss", sagt Mareile.

Ihr Freund trägt meist Jeans und T-Shirt. Tanjas Partner hat hin und wieder ein Hemd an, doch auch da ist alles geplant: "Da darf er mir dann nicht zu nahe kommen, muss es zum Essen ausziehen, selber bügeln und aufhängen."

Einer wäre auf jeden Fall kein Traumpartner für die beiden: Jim Knopf. "Der ist mir vom Namen her natürlich sehr unsympathisch, und wenn der natürlich dann noch eine Latzhose mit riesigen Knöpfen drauf anhat, kucke ich mir das natürlich nicht an", sagt Mareile.

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